Der Knabe im Moor

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Annette von Droste-Hülshoff: Der Knabe im Moor (1844)

1
O schaurig ist's über's Moor zu gehn,
2
Wenn es wimmelt vom Haiderauche,
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Sich wie Phantome die Dünste drehn
4
Und die Ranke häkelt am Strauche,
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Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
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Wenn aus der Spalte es zischt und singt,
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O schaurig ist's über's Moor zu gehn,
8
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

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Fest hält die Fibel das zitternde Kind
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Und rennt als ob man es jage;
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Hohl über die Fläche sauset der Wind —
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Was raschelt drüben am Haage?
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Das ist der gespenstige Gräberknecht,
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Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
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Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
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Hinducket das Knäblein zage.

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Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
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Unheimlich nicket die Föhre,
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Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
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Durch Riesenhalme wie Speere;
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Und wie es rieselt und knittert darin!
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Das ist die unselige Spinnerin,
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Das ist die gebannte Spinnlenor',
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Die den Haspel dreht im Geröhre!

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Voran, voran, nur immer im Lauf,
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Voran als woll' es ihn hohlen;
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Vor seinem Fuße brodelt es auf,
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Es pfeift ihm unter den Sohlen
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Wie eine gespenstige Melodey;
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Das ist der Geigemann ungetreu,
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Das ist der diebische Fiedler Knauf,
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Der den Hochzeitheller gestohlen!

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Da birst das Moor, ein Seufzer geht
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Hervor aus der klaffenden Höhle;
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Weh, weh, da ruft die verdammte Margreth:
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„ho, ho, meine arme Seele!“
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Der Knabe springt wie ein wundes Reh,
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Wär' nicht Schutzengel in seiner Näh',
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Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
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Ein Gräber im Moorgeschwehle.

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Da mählig gründet der Boden sich,
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Und drüben, neben der Weide,
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Die Lampe flimmert so heimathlich,
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Der Knabe steht an der Scheide.
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Tief athmet er auf, zum Moor zurück
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Noch immer wirft er den scheuen Blick:
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Ja, im Geröhre war's fürchterlich,
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O schaurig wars in der Haide!

(Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024. Ursprünglich aus: Textgrid, CC BY-SA 3.0.)

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Annette von Droste-Hülshoff
(17971848)

* 10.01.1797 in Burg Hülshoff, † 24.05.1848 in Burg Meersburg

weiblich, geb. von Droste-Hülshoff

natürliche Todesursache | Lungenentzündung

deutsche Schriftstellerin und Komponistin

(Aus: Wikidata.org)