Die Weiber von Weinsberg

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Gottfried August Bürger: Die Weiber von Weinsberg (1778)

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Wer sagt mir an, wo Weinsberg liegt?
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Sol seyn ein wakres Städtchen,
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Sol haben, from und klug gewiegt,
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Viel Weiberchen und Mädchen.
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Kömt mir einmal das Freien ein,
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So werd’ ich eins aus Weinsberg frei’n.

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Einsmals der Kaiser Konrad war
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Dem guten Städtlein böse,
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Und rükt’ heran mit Kriegesschaar
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Und Reisigengetöse,
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Umlagert’ es, mit Ros und Man,
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Und schos und rante drauf und dran.

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Und als das Städtlein widerstand,
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Troz allen seinen Nöten,
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Da lies er, hoch von Grim entbrant,
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Den Herold ’nein trompeten:
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Ihr Schurken, komm’ ich ’nein, so wist,
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Sol hängen, was die Wand bepist.

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Drob, als er den Avis also
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Hinein trompeten lassen,
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Gab’s lautes Zetermordio,
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Zu Haus und auf den Gassen.
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Das Brod war theuer in der Stadt;
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Doch theurer noch war guter Rath.

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„o weh, mir armen Korydon!
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O weh mir! die Pastores
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Schrie’n: Kyrie Eleyson!
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Wir gehn, wir gehn kapores!
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O weh, mir armen Korydon!
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Es jukt mir an der Kehle schon.„

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Doch wann’s Matthä’ am lezten ist,
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Troz Rathen, Thun und Beten,
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So rettet oft noch Weiberlist
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Aus Aengsten und aus Nöten.
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Denn Pfaffentrug und Weiberlist
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Gehn über alles, wie ihr wist.

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Ein junges Weibchen Lobesan,
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Seit gestern erst getrauet,
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Giebt einen klugen Einfal an,
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Der alles Volk erbauet;
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Den ihr, sofern ihr anders wolt,
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Belachen und beklatschen solt.

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Zur Zeit der stillen Mitternacht
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Die schönste Ambassade
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Von Weibern sich ins Lager macht,
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Und bettelt dort um Gnade.
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Sie bettelt sanft, sie bettelt füs,
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Erhält doch aber nichts, als dies:

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„die Weiber solten Abzug han,
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Mit ihren besten Schäzen,
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Was übrig bliebe, wolte man
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Zerhauen und zerfezen.„
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Mit der Kapitulation
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Schleicht die Gesandschaft trüb davon.

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Drauf, als der Morgen bricht hervor,
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Gebt Achtung! Was geschiehet?
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Es öfnet sich das nächste Thor,
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Und jedes Weibchen ziehet,
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Mit ihrem Mänchen schwer im Sak,
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So wahr ich lebe! Huckepak. —

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Manch Hofschranz suchte zwar sofort
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Das Knifchen zu vereiteln;
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Doch Konrad sprach: „Ein Kaiserwort
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Sol man nicht drehn noch deuteln.
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Ha bravo! rief er, bravo so!
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Meint’ unsre Frau es auch nur so!„

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Er gab Pardon und ein Banket,
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Den Schönen zu gefallen.
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Da ward gegeigt, da ward trompet’t,
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Und durchgetanzt mit allen,
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Wie mit der Burgemeisterin,
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So mit der Besenbinderin. —

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Ei! sagt mir doch, wo Weinsberg liegt?
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Ist gar ein wakres Städtchen.
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Hat, treu und from und klug gewiegt,
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Viel Weiberchen und Mädchen.
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Ich mus, kömt mir das Freien ein,
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Fürwahr! mus Eins aus Weinsberg frei’n.

(Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024. Ursprünglich aus: Textgrid, CC BY-SA 3.0.)

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Gottfried August Bürger
(17471794)

* 31.12.1747 in Molmerswende, † 08.06.1794 in Göttingen

männlich, geb. Bürger

natürliche Todesursache | Tuberkulose

deutscher Dichter

(Aus: Wikidata.org)