5. Nachtstück

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Arno Holz: 5. Nachtstück (1886)

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Längst fiel von den Bäumen
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Das letzte Blatt,
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In Schlaf und Träumen
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Liegt nun die Stadt;
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Die Fenster verdunkeln
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Sich Haus an Haus
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Und drüberhin funkeln
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Die Sterne sich aus;
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Kalt weht es vom Strom her,
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Der Eisgang kracht,
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Und drüben vom Dom her
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Dröhnt's Mitternacht.
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Ich aber schleppe mich zitternd nach Haus —
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Der Nordwind bläst die Laternen aus!

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Was half's, daß ich klagend
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Die Gassen durchlief
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Und mitleidverzagend
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„hier Rosen!“ ausrief?
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„hier Rosen, o Rosen!
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Wer kauft einen Strauß?“
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Doch die Herren Studiosen
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Lachten mich aus!
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Und keiner, keiner ....
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Daß Gott erbarm!
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O unsereiner
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Ist gar zu arm!
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Mir wanken die Kniee, mein Herzblut gerinnt —
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O Gott, mein Kind, mein armes Kind!

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In stockdunkler Kammer,
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Verhungert, verthiert!
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Schon packt mich der Jammer:
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„ach Muttchen, mich friert!
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Ach bitte, bitte
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Ein Stückchen Brot!“
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Mir ist es, als litte
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Ich gleich den Tod!
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Mir ist es, als müßte
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Ich schreien: „Fluch!“ —
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O daß ich dich küßte
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Durchs Leichentuch!
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Dann wär es vorbei und sie scharrten dich ein
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Und ich trüg es allein, o Gott, allein ....!

(Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024. Ursprünglich aus: Textgrid, CC BY-SA 3.0.)

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Arno Holz
(1863–1929)

* 26.04.1863 in Kętrzyn, † 26.10.1929 in Berlin

männlich, geb. Holz

Journalist, deutscher Dichter und Dramatiker des Naturalismus (1863-1929)

(Aus: Wikidata.org)